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Die Technik der Hammond-Orgeln mit "Tonewheels"

Das zentrale Element der Tonerzeugung einer elektromechanischen Hammondorgel ist der sogenannte "Tone Generator". Darin rotieren metallene Tonräder mit einem gewellten Rand vor elektromagnetischen Tonabnehmern (Permanentmagnete in Spulen). Durch die Wellenform entfernt und nähert sich der Rand des Rades periodisch dem Permanentmagneten: es ergibt sich eine sinusähnliche Schwingung, welche durch eine Filterschaltung geglättet und optimiert wird. Die erzeugten Wechselspannungen von nur einigen Millivolt werden dann durch die Manuale, die Zugriegel ("drawbars") und den Scanner (Vibrato- und Chorusschaltung) geleitet. Am Ende dieser Verarbeitungskette befindet sich eine Verstärkerstufe, die das Tonsignal so weit verstärkt, dass ein Lautsprecher angesteuert werden kann.


Es gibt nichts, was klingt wie eine Hammond B3. Ausser eine Hammond B3 ! 

Trotz moderner Technik gelingt es nicht, den Klang einer alten, elektromechanischen Hammond-Orgel so zu reproduzieren, dass er vom Original nicht zu unterscheiden ist. Der Hammond-Sound ist schlicht unnachahmlich. Am einzigartigen Klang dieses unglaublichen Instruments sind in den vielen Jahren, seit es Hammond-Orgeln gibt, unzählige  Digitalisierungsversuche gescheitert. Kein Wunder also, erfreuen sich diese alten Hammonds nach wie vor grösster Beliebtheit. Besonders gefragt sind hierbei die technisch identischen Modelle B3, C3 und A-100. Sie haben alle dasselbe technische Innenleben und unterscheiden sich nur durch ihre unterschiedlichen Gehäuseformen. Darüberhinaus verfügt die A-100 im Gegensatz zur B3 und C3 über eingebaute Lautsprecher. Das mit Abstand beliebteste, begehrteste und weltweit klar am meisten verbreitete Modell ist die B3. Sie wurde zwischen 1955 und 1975 in praktisch unveränderter Form gebaut.

Die Hammondorgel besitzt pro Taste neun elektrische Schaltkontake, mit denen die neun verschiedenen gleichzeitig möglichen Töne (Fusslagen) pro Taste zu den Zugriegeln weitergeleitet werden. Diese neun Kontakte schliessen, da sie eben mechanisch konstruiert sind, beim Drücken einer Taste nicht zu 100% gleichzeitig. Vielmehr ist es so, dass bei sehr langsamem Herunterdrücken einer Taste die neun Töne deutlich hörbar nacheinander einsetzen. Dadurch entsteht eine Art Anschlagsdynamik: wird die Taste langsam heruntergedrückt, baut sich der Ton aus den maximal neun Einzeltönen langsam und "weich" auf. Wird die Taste hingegen schnell heruntergedrückt, ertönen alle neun Töne annähernd gleichzeitig, so dass der Ton "härter" einsetzt.

Die Tastenkontakte erzeugen beim Auslösen eines Tons fast immer ein leichtes Knack- oder Klickgeräusch. Diese neun Knackgeräusche ergeben, je nachdem wie schnell eine Taste heruntergedrückt wird, insgesamt dieses unnachahmliche, einzigartige, "schmatzende" Klickgeräusch: den typischen, wunderbaren "Key-Click" der Hammond.

Von Laurens Hammond (geboren am 11. Januar 1895 in Evanston (Illinois) gestorben am 1. Juli 1973 in Cornwall (Connecticut)), dem genialen Ingenieur, Erfinder und Firmengründer der Hammond Organ Company in Chicago IL, USA, war das nie so gewollt. Aber heute wird gerade dieser Key-Click von Hammond-Aficionados weltweit geliebt. Er macht den Sound der B3 mitunter aus. Übrigens liess Laurens Hammond über 110 seiner unterschiedlichsten Erfindungen patentieren. Darunter fallen seine Entwicklungen im Bereich elektrischer Synchron-Motoren, automatischer Getriebe, Höhenmesser in Flugzeugen, 3D-Visualisierungen (auch im Kino), und: sein vollautomatischer Kartenmischer für das Bridge-Spiel und seine sehr bekannten Uhren. Laurens Hammond war als Ingenieur in unglaublich vielen Fachgebieten kommerziell äusserst erfolgreich tätig. Sein für Musikfreunde wichtigstes Patent aber ist natürlich unbestritten dasjenige mit der Nummer 1,956,350. Es wurde am 24. April 1934 vom US-Patentamt zugelassen. Wofür? Klar: für seine legendäre Hammondorgel. Ein Meisterwerk.

Laurens Hammond
Seine Erfindung veränderte die Musikwelt. Die Portraitaufnahme ganz oben stammt aus dem Jahr 1935, diejenige oben aus dem Jahr 1937. Die Aufnahme unten (1935) zeigt Laurens Hammond zusammen mit einem seiner wichtigsten Ingenieure, John M. Hanert, der viele Detailentwicklungen zu den Hammondorgeln beisteuerte und gleichzeitig als sehr begabter Organist galt. Ganz im Gegensatz übrigens zu Laurens Hammond, über den gesagt wird, dass er über keine musikalischen Fähigkeiten verfügte. Mit ausdrücklicher Genehmigung, die Fotos auf www.b-tonic.ch zeigen zu dürfen. © Cornell University, Ithaca (USA). Laurens Hammond studierte dort.
Laurens Hammond ist begeistert: John M. Hanert spielt auf einer Hammond Novachord, de facto dem ersten Synthesizer der Musikgeschichte. (Mit ausdrücklicher Genehmigung, das Foto auf www.b-tonic.ch zeigen zu dürfen. Foto-ID: i67346. © Chicago History Museum).
Laurens Hammond sitzt stolz an einer Hammond A. (Mit ausdrücklicher Genehmigung, das Foto auf www.b-tonic.ch zeigen zu dürfen. Foto-ID: i51842. © Chicago History Museum).
Laurens Hammond an einer Hammond A (Foto ca. 1944). (Mit ausdrücklicher Genehmigung, das Foto auf www.b-tonic.ch zeigen zu dürfen. Foto-ID: i38565. © Chicago History Museum).
Laurens Hammond überprüft die Werte einer Hammond Novachord. (Mit ausdrücklicher Genehmigung, das Foto auf www.b-tonic.ch zeigen zu dürfen. Foto-ID: i38567. © Chicago History Museum).

Ein Klick auf das Patent-Dokument von 1934 oben reicht und das PDF mit allen Details inklusive Konstruktionszeichnungen öffnet sich (2.3 MB). Basierend darauf baute Laurens Hammond ab Juli 1935 mit dem "Model A" die erste Orgel seiner Firma, die dadurch weltweit berühmt werden sollte.

Das technische Innenleben einer elektromechanischen Hammond (Klick für grosses Bild):

Die einzelnen Tonräder im Tongenerator drehen sich zwar mit definierten Geschwindigkeiten, die Phasenlage der von ihnen produzierten Sinustöne steht jedoch nicht in einem festen Verhältnis zueinander. Vielmehr hat jeder Ton eine völlig beliebige Phasenlage im Verhältnis zu anderen Tönen. Durch die bewegliche Lagerung der Zahnräder auf den Wellen und durch thermische Einflüsse ändert sich darüberhinaus die Phasenlage praktisch ständig. Dies führt zu diesem natürlich wirkenden, "lebendigen" Klangbild.

Die einzelnen Tonräder laufen nicht immer völlig rund. Vielmehr haben sie, auch abhängig vom Alter und Zustand der Orgel, ganz leichten Seitenschlag oder Höhenschlag. Die dadurch entstehenden, in der Regel sinusförmigen Amplituden- und eventuell sogar Frequenzschwankungen überlagern den vom Tonrad erzeugten eigentlichen Sinuston. Für das menschliche Ohr ist diese "Unsauberkeit" des einzelnen Tones normalerweise nicht wahrnehmbar. In der Summe der erzeugten Töne tragen gerade diese Unreinheiten der Einzeltöne zum Entstehen des besonderen, lebendig erscheinenden Klangbildes bei.

Ein ganz wichtiger Bestandteil des originalen Hammond-Klanges ist der sogenannte "leakage-noise". Damit ist das Übersprechen benachbarter Tonräder in den Tonabnehmer des gerade benutzten Tonrades gemeint. Drückt man als Beispiel eine beliebige Taste auf der Hammondorgel nur mit dem gezogenen 8'-Zugriegel, so hört man nicht nur den eigentlichen Sinuston der 8'-Lage, sondern auch ganz leise die Töne anderer Fusslagen, was demnach auch zu leicht dissonanten Klängen einzelner Fusslagen führen kann. Dieses Phänomen tritt sehr oft bei Hammond-Orgeln auf, die vor 1964 gebaut wurden. Der Grund dafür ist, dass in diesen Jahren noch die alten Wachspapier-Kondensatoren für den Tongenerator und die Vibrato-Line-Box verwendet wurden. Im Laufe der Jahre vervielfacht sich der Wert der Kondensatoren durch Feuchtigkeit und führt somit zu immer unreinerem Klang und kann auch zu einem abgehackten Scanner-Vibrato-Sound führen. Ab ca. 1964 wurden dann sogenannte "Red-Caps" in den Orgeln verbaut, die aus Polypropylen  bestanden und die den Wert auch über Jahrzehnte stabiler halten konnten als ihre Wachspapier-Vorgänger. Folglich verfügt eine Hammond aus dem Jahre 1965 und später über deutlich weniger "leakage-noise" als ein frühes Instrument.

Es gehört einfach zur Hammond: das Leslie Tonkabinett

Leslie 122


Ein Leslie Lautsprecher-Kabinett (oder kurz: "Leslie") ist sehr vereinfacht gesagt ein in einem Holzgehäuse untergebrachter Verstärker, der mittels rotierender Schallquellen eine elektromagnetische Orgel erst zum Tönen bringt. Benannt ist das Leslie nach seinem grossartigen Erfinder Donald Leslie (1911-2004).

Donald Leslie (Aufnahme von 2002)

Leslie war (heute muss man sagen: zum Glück) nicht zufrieden mit dem Hammond-Sound, wenn die Orgel über statische Lautsprecher gespielt wurde und experimentierte über Jahre hinweg mit verschiedenen Ansätzen rotierender Schallquellen, bis er 1940 die Lösung fand. Als er damals seinen Prototypen der Firma Hammond Organ Company in Chicago vorstellte, wurde er abgewiesen. Don Leslie war aber absolut von seiner Erfindung überzeugt  und begann 1941 mit der Herstellung von Kabinetten mit seiner eigenen Firma "Electro-Music". Das Produkt war so erfolgreich, dass dafür kaum Werbung betrieben werden musste: die Leslies verkauften sich wegen ihres eindrucksvollen Sounds ganz von alleine!

Das herausragende und einzigartige Merkmal eines Leslie-Speakers sind die rotierenden Schallquellen. Sinn der Rotation ist die Erzeugung eines verbesserten Raumgefühls in Form eines Choral-Effekts. Dies entspricht einer Modulation der Tonhöhe durch Ausnutzung des Doppler-Effekts und der daraus resultierenden Schwebung.

Wenn sich der rotierende Lautsprecher vom Zuhörer entfernt, wird damit der Ton tiefer. Gleichzeitig nähert er sich aber der gegenüberliegenden Wand, die daher mit einem höheren Ton beschallt wird, den sie auch in Richtung des Zuhörers reflektiert. Dies geschieht zu jedem Zeitpunkt in alle Richtungen des Raumes. Der Zuhörer erfährt damit ein sehr komplexes Klangbild, das weit über ein einfaches Tonhöhen-Vibrato hinausgeht und den Hammondsound massgeblich bereichert. Beim Leslie rotieren nicht die Lautsprecher, sondern die Schalltrichter. Bei den Hochtönern ("horns") stammen die Schallwellen nur aus einem der beiden Hörner. Das andere dient einzig der Stabilität beim Drehen, damit keine Unwucht entsteht. Die Lautsprecher sind liegend eingebaut, die Schalltrichter (Rotoren) rotieren in der Ebene. Das macht die Konstruktion robuster, da sonst elektrische Schleifkontake notwendig wären. Viele Leslies verfügen über eine "Dual-Speed"-Installation. Das heisst, dass die Drehgeschwindigkeit zwischen zwei Stufen gewählt werden kann: normal ("Chorale") oder schnell ("Tremolo"). Neuere Leslies haben drei Positionen zur Auswahl, indem zusätzlich eine "Stop"-Stellung eingebaut ist, in welcher die Rotoren dann vollständig zum Stillstand kommen. Das im Jazz zusammen mit einer Hammond B3 weitaus am häufigsten eingesetzte Leslie ist das Modell 122 mit zwei Geschwindigkeiten: "Chorale" und "Tremolo". Alternativ dazu kann ein Leslie 122 auch so konfiguriert werden, dass es mit den beiden Modi "Stop" und "Tremolo" läuft.

Leslie 122

Das Leslie ist als Zweiwege-System aufgebaut, mit getrennten Lautsprechern für den Hochton- und den Bassbereich. Die Rotation der entsprechenden Rotoren ist darauf abgestimmt: der Hochtonrotor rotiert, beschleunigt und verzögert schneller als der Bassrotor und dreht auch in der entgegengesetzten Richtung. Akustisch besonders faszinierend sind die bei Beschleunigung und Verzögerung auftretenden Effekte. Stets entsteht ein raumfüllender Klang, der bezüglich der Schallquelle kaum zu orten ist und deshalb so angenehm und natürlich empfunden wird.

Die Abnahme des Leslies mit Mikrofonen ermöglicht eine Einflussnahme auf den erzeugten Klang und spielt bei der Musikproduktion eine besondere Rolle. Es sollte vorzugsweise mit mindestens zwei Mikrofonen gearbeitet werden, um die Räumlichkeit des Leslie-Klangs aufzuzeichnen. Optimal sind aber drei: ein Mikrofon beim Bassrotor und zwei Mikrofone beim Hornrotor. 

Zwar bieten heutige portable Orgeln (sogenannte "clones") Leslie-Simulationen an. Das heisst: der Leslie-Effekt wird künstlich generiert und über die Lineout-Ausgänge der Orgel ausgegeben ohne dass ein Leslie angeschlossen ist. Die Ergebnisse sind beachtenswert und mögen für reine Begleitzwecke im Hintergrund oder im Studio ausreichen. Bei einer Live-Darbietung allerdings ist der Unterschied zwischen einem echten Leslie-Klang und einer Simulation in der Regel problemlos zu hören. Denn um einen echten Leslie-Effekt zu haben, muss reichlich Luft bewegt werden und das geht halt definitiv nur mit einem Leslie-Kabinett.

Was ist besser als ein Leslie? Zwei Leslies!

Noch besser als ein einzelnes Leslie tönen nämlich zwei parallel an der Hammond-Orgel angeschlossene Leslies, die direkt nebeneinander aufgestellt werden. Im Jazz wird meistens auf die Traumkombination Hammond B3 und Leslie 122 gesetzt. "There's no substitute for the real thing". Oder wie es der Jazzorgel-Enthusiast Pete Fallico einmal sagte: "Hammond and Leslie: that's the marriage made in heaven".


Er brachte die Hammond B3 zum Jazz: Jimmy Smith

Wenn es um die Frage geht, wer der Hammond-Orgel zum Durchbruch im Jazz verhalf, gibt es nur eine Antwort: Jimmy Smith (1928-2005). Zwar gab es schon vor ihm ein paar Jazzmusiker, die sich diesem Instrument annahmen, aber der echte Durchbruch des Instruments im Jazz gelang definitiv Jimmy Smith. Er gilt als der bedeutendste Erneuerer des Orgelspiels im Jazz, denn er revolutionierte Ende der 50er Jahre den Einsatz der B3 in einer Weise, die eine Einteilung der Geschichte des Hammond-Jazz in eine Periode "vor", eine Periode "mit" und eine Periode "nach" Jimmy Smith durchaus rechtfertigt. Er machte den Hammond-Sound weltweit populär, er entwickelte die Orgel zu einem Soloinstrument, kreierte Spieltechniken und Registraturen, die bis heute verwendet werden. Jimmy Smith's Trio-Konzept mit der Besetzung Orgel, Gitarre und Schlagzeug (also ein Trio ohne Bassist) wurde häufig kopiert und führte in den 50er und 60er Jahren zur Gründung unzähliger Hammond-Trios, die in dieser Zeit sehr erfolgreich waren. In vielen Jazzclubs war es üblich, dass eine Hammond B3 jederzeit auf der Bühne zur Verfügung stand. Smith veränderte die Bedeutung der Orgel im Jazz grundlegend, war damals für viele Hammond-Organistinnen und -Organisten weltweit das Vorbild schlechthin und beeinflusst auch diejenigen der heutigen Zeit genauso intensiv. Das Bild unten stammt von 1959 und zeigt Jimmy Smith an der Hammond B3 in der Zeit, als eines seiner bekanntesten Alben enstand: "The Sermon" (Blue Note Records).

Jimmy Smith an der B3

In diesem Sinne: "Cheers" auf ein kühles "B-Tonic water"!


Hammond® und Leslie® sind registrierte Warenzeichen von Hammond Suzuki Co.